Buika bringt die Nacht zum Kochen

Buika La noch mas largaIm letzten Jahr erreichte mich ein Album, das mich stark an meine Studienzeit in Granada erinnert hat. Die spanische Sängerin Buika brachte „la noche más larga“ auf dem Markt. Die Musik hat viele unterschiedliche spanische oder lateinamerikanische Einflüsse – aber geprägt wird sie natürlich von der unglaublich energetischen Röhre von Concha Buika.

Als ich damals in Granada unterwegs war, ist mir der Flamenco alle Nase lang in die Ohren gekrochen. Damals wie heute hat sich mir dieses komplexe Rhythmuskonstrukt nicht so ganz erschlossen. Wer mit 4/4-Takt aufwächst darf damit auch Probleme haben. Allerdings hat diese Musik mich schon damals durch ihre Energie und emotionale Ausstrahlung extrem begeistert. Auch wenn viele Gruppen, deren Konzerte ich dort sah, den Weg des reinen Flamenco verlassen haben, so ist es bemerkenswert, wie sich die Energie der Rhythmen auch in Fusion-Bands wiederfindet (z.B. Ochos de Brucho).

Von der Fusion verschiedener Musikstile profitiert auch Buikas neues Album. „Don’t Explain“ z.B. kommt dem Flamenco sehr nahe (inklusive Gitarre) – aber durch Buikas entspannte Stimme lodert hier das spanische Feuer auf Sparflamme. In „Yo vengo a ofrecer mi corazón“ wird sie von jazzigen Pianoläufen begleitet, die ein wenig ans Esbjörn Svensson-Trio oder Rusconi erinnern.

Spannendes Highlight ist Buikas Cover von Jacques Brels „Ne me quitte pas“. Wenn das Original schon kaum feuriger vorzutragen war als durch Brels unvergleichlicher Extreminterpretation, gewinnt das Cover durch die Instrumente mehr Kraft und natürlich durch die kraftvolle und dabei einfühlsame Stimme Buikas.

Fazit:

„la noche más larga“ findet in beiden Genres sein zu Hause: Lateinamerikanische Worldmusic und Jazz. Beide Lager werden ihren Spaß an diesem Album haben. Aufnahmetechnisch gibt es nichts auszusetzen – gelungen.

Elbjazz komplett hören

Für alle Jazz-Liebhaber:

Hier kann man ein tolles Jazz Festival komplett hören:

Elbjazz

Die komplette Jazz Nacht vom September 2013 mit Jamie Cullum, Joshua Redman, Chilly Gonzales und anderen. Zwischendurch a m Mikrofon: Sarah Seidel.

Länge des streams ungefähr 7 1/2 Stunden.

Symphonic Klezmer – David Orlowsky Trio und die Kammerakademie Potsdam

David-Orlowsky-Trio-b-photocredit-Felix-Broede-px500-e1381213751308Die Klezmer-Welle schwappte schon vor ein paar Jahren ins Bewusstsein vieler Musikliebhaber – vor allem solcher, die gerne mal Neues ausprobieren und sich an der heiteren Spielart des Klezmer erfreuen. Das David Orlowski Trio hat sich nun zusammen mit der Kammerakademie Potsdam und fünf namhaften Komponisten daran gemacht, das traditionell eher schmal besetzte Klezmer-Ensemble mit einem bis zu 30-köpfigen Orchester verschmelzen zu lassen. „Symphonic Klezmer“ heißt das Album, das diesen erfolgreichen Versuch dokumentiert.

Dabei sind die Tracks auf der CD keine Neukompositionen sondern Stücke aus dem Repertoire des David Orlowsky Trios. Fünf Komponisten wurden gebeten, Arrangements für das Zusammenspiel mit dem Orchester zu schaffen. Zu den Komponisten gehören namhafte Tondichter wie Rainer Tempel, Ralf Hesse, David Bruce und Matan Porats.

Das Hauptziel war, den Orchesterklang der Kammerakademie mit der Leichtigkeit des Klezmer zu verschmelzen. 20-30 zusätzliche Instrumentalisten, die das Zusammenspiel für die sonst nur aus drei Musikern bestehende Formation zu einer Herausforderung gemacht hat – schließlich müssen alle zusammen gut harmonieren. Die Chemie zwischen den Orchestermusikern und dem Trio hat dann aber wunderbar funktioniert und die Abstimmung der Instrumentengruppen mit den Solisten lässt das auch hörbar werden. Eine hervorragende Leistung vor allem wenn man weiß, dass weder Trio noch Orchester bei den meisten Stücken von einem Dirigenten angeleitet wurde. Ausnahmen wurden nur bei den Stücken „North“, „Carnyx“ und „Hohlwelt“ gemacht – hier übernahm die Dirigentin der Kammerakademie Judith Kubitz die Leitung.

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Vor allem die rhythmische Vertraktheit von dem Stück „Balkanplatte“ lässt erahnen, dass die exakte und doch lebendige Einspielung auf eine gute Verständigung im großen Ensemble zurückgeht.

David Orlowski, der Gründer und Namensgeber des Trios, begann seine musikalische Karriere als Schlagzeuger und wechselte schon drei Jahre später zur Klarinette. Mit 16 gründete er die Formation. Dazu gehört auch Jens-Uwe Popp, der klassische Gitarre studiert hat und seit 2005 mitspielt. Florian Dohrmann, studierter Kontrabassist, ist seit Gründung des Trios dabei.

Soundcheck

Das Album ist herausragend produziert. Dem Hörer spannt sich ein großer Konzertsaal auf, in dem das Trio ein paar Meter vor dem Orchester Platz nimmt. Zwar sind immer alle Tongruppen eindeutig ortbar und verschwimmen keinesfalls. Allerdings haben als einzige die Tontechniker dem Anspruch des tonalen Verschmelzens der Gruppen nicht entsprochen.Das Album glänzt durch eine spannende Dynamik, die der Klanggewalt eines ganzen Orchesters geschuldet ist. Aber auch die kleinen feinen, ruhigen und einfühlsamen Stellen des Albums erreichen immer eindeutig differenziert das Ohr des Hörers.

Fazit

Das Album ist ein Must have für Klezmer Liebhaber, die durch ihre Experimentierfreudigkeit zu Klezmer gefunden haben. Sie werden nicht enttäuscht werden.

Oh Maggie Give Them One More Chance – The High Kings sind „Friends for Life“

Wer kennt die High Kings? Wer? Keiner? Wie schade, denn laut Barack Obama sind die vier Sängerknaben der Irischen Kombo „High Kings“ die zweitbeste Band Irlands – nach U2. Natürlich haben die High Kings mit U2 genauso viel gemein wie Annett Louisan mit Rammstein, aber die Empfehlung eines der mächtigsten Männer Amerikas (;)) kann man sich schon mal anhören.

Was machen die High Kings

Die High Kings sind eine Gruppe von vier gestandenen Männern – allesamt Mulitinstrumentalisten. Ihre Hauptinstrumente sind zweifellos ihre Stimmen, denn die prägen die CD „Friends Forever“ in fast jedem Track. Vor allem in den besonders folkig gemachten Stücken wie „Oh Maggie“ oder „Johnny Leave Her“ kommen die vier als strammer Männerchor daher. Es folgen das Banjo und das Akkordeon – ohne die beiden: Kein Folk.

The-high-Kings-Friends-For-Life-CDCover-px400-300x300Der musikalische Stil changiert zwischen Irish Folk und WDR4-Pop. Letzteres ist nicht abschätzig gemeint – es ist alles auf Englisch  und kein Schlagetr – aber dann doch schon sehr auf Schwoof und heile Welt gemacht. Wer schlicht eine CD mit Irischer Musik sucht, die eingängig und gut produziert ist, liegt mit „Friends for Life“ genau richtig.

Soundcheck

Wie bereits erwähnt, ist das aktuelle Album ein gut produziertes Album mit Höhepunkten, auf die ich kurz eingehen möchte:

  1. „Oh Maggie“
    Direkt das Intro begrüßt mit dem gut gelaunten Refrain des Stücks. Erster Eindruck: nichts Besonderes. Danach: Ohrwurm!
  2. „Gucci“
    Inhaltlich ein Lobgesang auf die Bodenständigkeit („You’re Gucci’s no better“) ist das Stück eine musikalische Wendung vom Folk weg. Die rhytmische Vertraktheit des Gesangs fügt sich brilliant in den reduzierten Klangteppich und wird nur im Refrain unterbrochen.
  3. „Health to the Company“
    Eine Neuinterpretation einer mittelalterlichen Ode an die gute Gesellschaft, mit der man gerne ein, zwei, drei auf die Gesundheit trinkt. Die keltischen Ursprünge des Stücks werden im Chorus mit Dudelsack unterstrichen – ansonsten macht das das Banjo.
  4. „Johnny Leave Her“
    Shanty gefällig? Das können die High Kings in Perfektion.
  5. „McAlpines Fusiliers“
    Tanzen wie die Iren – der Soundtrack

Fazit:

Wer Bock hat auf Irische Musik und sich nicht auf die Pogues einlassen will: Das ist Eure CD! Ein gelungener Querschnitt durch traditionelle Irische Popmusik.

 

Peter Gabriel – „Scratch My Back“/ „I’ll Scratch Yours“

Dieser Artikel ist auf der einen Seite ein Review zu einem interessanten Konzept-Album initiiert von einem der größten Pop-Musiker der Musikgeschichte. Und auf der anderen – eine Petition. Wenn eine so gute Idee in die Tat umgesetzt wird und dann noch mit einem bemerkenswerten Ergebnis ausgeht, dann sollte das Projekt definitiv in feinstes Virgin Vinyl gepresst werden. Es geht zwar immer zuerst um die Musik und dann um das Medium – aber in diesem Fall ist es wirklich unverständlich, wieso das Album nicht als Vinyl herausgegeben wird.

Wie dem auch sei – das Konzept und das Ergebnis, das sich Peter Gabriel zusammen mit vielen anderen aktuellen und weniger aktuellen Künstlern hervorgebracht hat ist so besonders, dass sich auch ohne schwarzes Gold ein Review lohnt.

DPeter-Gabriel-4323-photocredit-Michele-Turriani-px7001er 63-jährige Engländer Peter Gabriel ist den älteren Semestern in jedem Fall ein Begriff – für die Jüngeren wird es schon etwas schwieriger – deswegen eine kurze Einführung: Gabriels Musikkarriere begann, als er 1967 die Prog-Rock-Band Genesis zusammen mit Mike Rutherford, Anthony Phillips, Mike Rutherford und Chris Stewart gründete. Diese Band verließ er zwar 1975 wieder – bis dahin war die Gruppe allerdings dermaßen bekannt, dass sie an Erfolg nichts einbüßte – obwohl Phil Collins das musikalische Gesicht von Genesis komplett änderte.

Gerade als Solo-Künstler zeigte sich Gabriel immer wieder als stilbildender Musiker, der trotz teilweise sperriger und experimenteller Stücke ab den 80er Jahren durch seine Hits einer noch breiteren Masse bekannt wurde (Ein Beispiel „Sledgehammer“).

Soundcheck

2010 veröffentlichte Peter Gabriel das Cover-Album „Scratch my Back“ – Kratz mir den Rücken. Auf diesem nahm er Stücke von den größten bekannten Songwritern und interpretierte sie um. Er „vergabrielte“ sie. Was als Coveralbum abgetan werden könnte ist aber nur ein Teil der Idee. Die andere ist heute auf den Markt gekommen: „And I’ll Scratch Yours“. „And I’ll Scratch Yours“ ist die Retoure der Künstler, deren Lieder Gabriel interpretierte. Wer mitgemacht hat? Seht selbst:

  • David Byrne – I Don’t Remember
  • Bon Iver – Come Talk to Me
  • Regina Spektor – Blood of Eden
  • Stephin Merritt – Not One of Us
  • Joseph Arthur – Shock the Monkey
  • Randy Newman – Big Time
  • Arcade Fire – Games Without Frontiers
  • Elbow – Mercy Street
  • Brian Eno – Mother of Violence
  • Feist feat. Timber Timbre – Don’t Give Up
  • Lou Reed – Solsbury Hill
  • Paul Simon – Biko

Jeder einzelne Track hat seine Besonderheit. Insgesamt ist es sehr interessant zu hören, das alle Künstler sich stark am musikalischen Stil Gabriels orientieren – aber dennoch ihre persönlichen Noten hineinbringen. Besonders erwähnenswert ist der US-amerikanische Singer-Songwriter Joseph Arthur, der stimmlich ein passendes Substitut zu Peter Gabriels Stimme abgibt. Auch musikalisch könnte die Nummer so  (;)) glatt aus den 80ern stammen.

Brilliant auch Regina Spektors „Blood of Eden“ vom Album „Us“. Sehr Regina Spektor. Auch Feist verzuckert „Don’t Give up“ mit der verführerischen weiblichen Weichheit ihrer Stimme.

Lou Reed? Lou Reed kann ja eigentlich nur Lou Reed und hat deshalb Gabriels ersten großen Hit als Solo-Künstler „Solsbury Hill“ einfach adoptiert und zu seinem Werk gemacht. Unverschämt? Nein. Er war zuerst da.

Das Album ist am 20. September als Einzel-CD “And I’ll Scratch Yours” und als Deluxe-Doppel-CD “Scratch My Back” & “And I’ll Scratch Yours” erschienen. Nicht nur für Peter Gabriel-Fans ist das Album eine absolute Empfehlung. Die Vielfalt der Stile ist faszinierend und absolut mehr als ein paar zusammengewürfelte Coverversionen eines Musik-Senioren.