Zum Kauf verleitet durch Schallplatten – Pop Shopping

„Mal weghör’n! Jetzt kommt Werbung.“ So grüßt ein Sprecher auf der ersten Schallplatten-Seite den Hörer und sagt damit bereits so einiges – und zwar, wie man in den sechziger und siebziger Jahren in weiten Teilen der Bevölkerung zu Produktinformationen stand. Also gar nicht so gut. Beim ersten hören der Platte konnte ich das gar nicht nachvollziehen, denn wer so eine Musik in seine Werbebotschaft aufnimmt, kann nur exzellente Produkte in seinem Portfolio führen.
pop shopping Schallplatte
Ehrlich, was für einen Aufwand die Werbeleute damals getrieben haben, um ihr Produkt verkauft zu bekommen, ist unglaublich. Dabei handelt es sich bei „Pop Shopping“ gar nicht nur um eine schnöde Ansammlung von Werbejingles à la „Nichts ist unmööööglich“ oder ähnliches – so etwas Liebloses gab es damals noch nicht. Vielmehr ist jedes einzelne Stück von namhaften Komponisten und Arrangeuren geschaffen und von deren Kombos auch direkt eingespielt und mehr oder minder kreativ betextet.
Ein ganz großer Wurf ist Max Meier-Maletz gleich auf der ersten Schallplatten-Seite gelungen. „Schuhe Nordwest – das ist der Hit – wir machen Schuhmode – machen Sie mit…“ Oh jeh… So war das wohl mal in der Republik. Aber hört erst mal in „Swinging Nordwest“ rein. Das Swingt wirklich ganz hervorragend und brilliert durch gekonnte Breaks und Bridges. Wenn der Text nicht heute zu extremem Kopfschütteln verbunden mit zweifelnden Gesichtern führte, würde ich den Track auf jeder Party spielen. Für diesen Fall haben „crippled dick hot wax“ – die Macher von „Pop Shopping“ auch dankenswerter Weise gleich noch eine Instrumentalversion von „Swinging Nordwest“ auf die zweite Schallplatte gepackt.
Gleich hinter einen ebenfalls fantastisch treibenden Track „Komm‘ in Fahrt“ von Christian Bruhn. Dieser 2:50 Song besingt das Getränk, mit dem viele ALDI-Süd-Käufer ihre Pubertät durchgesoffen haben – Hansa Pils. Kein Scherz. Der Text vermittelt sogar das Gefühl von Reisen, Freiheit, Offenheit – so ganz anders, als das Getränk je war. „Komm in Fahrt – das macht Laune, das macht Stimmung – Komm doch einfach mit…“ Gerne würde ich natürlich wissen, wohin. Doch das ist gar nicht so wichtig.
Wichtiger ist eher, womit! Nämlich mit dem Capri II – ebenfalls ein Stück von Christian Bruhn. Der Junge muss eine Menge Werbe-Schallplatten gemacht haben. Dieser Track verleitet tatsächlich ans Reisen zu denken – allerdings viel der Text spartanisch aus: „Daaaaadadada, Capri II“. Der Autoklassiker von Ford hätte mehr verdient. Aber auf dieser Schallplatte geht es schließlich nicht um heiße Öfen, sondern eher um „heiße Bienen“, wie im Ellen Betrix Song „Peach Girl“ von Baden, Brenk und Petri. Wer damals von den Textzeilen „steiler Zahn“, „Wuchtbrumme“ und Ähnlichem zum Kauf animiert wurde ist leider ungeklärt. Gerne würde ich solche Leute aber mal kennen lernen 🙂

Einen großen Namen muss ich hier allerdings noch erwähnen: Klaus Doldinger. Auf dieser Schallplatte (genauso wie auf „German Funk Fieber„) ist er mit einem Werbetrack für „Fa“ mit „Wild Freshness“ und für „Salamander“ mit „Frei mit Boots“ (sic!) vertreten. Ein frühes Zeichen seines Könnens – der Sound ist umwerfend – die Botschaft eher nicht.

Sehr schön ist auch der Text im inneren des Plattencovers inklusive einer Laudatio von Götz Alsmann. Die Macher von „Pop-Shopping“ haben sich die Mühe gemacht alte Vinyl-Scheiben, Schallfolien und sonstige Medien zu sammeln und sie auf diesem einzigartigen Sampler unterzubringen. Schallfolien waren sehr dünne Schallplatten, die extrem billig zu produzieren waren und die Zeitschriften und teilweise sogar Waschmittelverpackungen beilagen. Natürlich waren diese Folien nicht so beständig wie die „erwachsenen“ Vinyl-Schallplatten. Allerdings haben sie die Zeit doch überstanden, um bei „Pop-Shopping“ wiederverwendet werden zu können.

Auf alle Stücke dieser Platte kann ich nicht eingehen, auch wenn der Moulinetten-Song und „Swing a little, Kim a little“ auf jeden Fall mehr als hörenswert sind. Und so beende ich meinen Artikel mit einer absoluten Kaufempfehlung und einem weiteren Textfetzen von „Swinging Nordwest“:

„Alle meine Schuhe machen jetzt Protest – weil ich mir heut‘ Schuhe kauf‘ – Schuhe von Nordwest!“

Die Schallplatte bekommt ihr direkt beim Label oder (leider nur noch) die CD über den Schallplatten-Check Plattenladen.

Ihr wisst Bescheid,

Euer Schallplatten-Checker

Mode und Schallplatten – eine echt hippe Mische

Ok, ok. Mode und Musik – vor allem Pomusik – gehen schon seit den Sechzigern Hand in Hand. Wer sich schon mal mit der Pop-Geschichte auseinandergesetzt hat weiß, dass der Rock’n’Roll Petti-Coat und Mini-Rock, Pomade und andere coole Fashion – Items hervorgebracht hat. Die Popper in den Achtzigern, die Punker in den Siebzigern, die Techno-Crowd der Neunziger und viele andere Bewegungen hatten ihren eigenen Kleidungscode.

Heute ist es ein kleines französisches Label in Paris, das beide Pop-Phänomene zusammen bedient. Kitsuné begann 2002 mit ihrer ersten Kollektion, die Anhängern des Elektro und Tech-House auf den Leib geschneidert wurde. Ganz im Stil des Retro, bedient das Unternehmen Youngsters mit Kleidung und Schuhen, die sich auch elektronische Schallplatten auf den Plattenteller legen.

Klangvolle Namen finden sich im Platten – Portfolio von Kitsuné – wie z.B. die New Yorker Art-Group Fischerspooner (Emerge ist eine der Elektrohymnen) und das Hamburger Jung-Double Digitalism (Pogo). Aber auch unbekanntere Acts wie Rex the Dog oder die Combo mit dem lautmalerischen Namen autokratz finden sich im Kitsuné Katalog. Das Label bannt alles auf Vinyl, was kratzig aber gleichzeitig melodisch ist.

Kitsuné Maison Compilation 5
Kitsuné Maison Compilation 5

Eine absolute Einstiegsdroge ist das Remix-Album „Kitsuné Maison Compilation 5“, auf dem sich alle wichtigen Vertreter der Musikvertrieber aus Paris wiederfinden. Alles geremixed – aber alles fantastisch (Danke Anne, Patrick, Felix und Schlenki für die Schallplatte zum 30. ;-))

Besonders der Track Circulate von Rex the Dog ist so unglaublich eingängig, dass man ihn nur schwerlich wieder aus den Ohren bekommt. Schon beim ersten Hören ist man irgendwo an einer südlichen warmen Sommerküste und tanzt mit einer Partycrowd in den Sonnenuntergang. Hört’s Euch an und Ihr werdet wissen, was ich meine.

So sieht’s aus. Viel Spaß beim Hören!