Deutschland war mal funkiger – German Funk Fieber (Vinyl)

Unter dem Untertitel „infectious rare grooves & krauty schlager wonders“ hat das Hamburger Label Showup Records bereits im Jahr 2007 einen Sampler vorgestellt, der den Hörer – meisstens aber bestimmt den Tänzer 😉 – in die Zeit zurückversetzt, in der Big Bands und Tanzorchester langsam aber sicher durch die fortschreitende Modernisierung der Pop-Musik ihre Arbeitslosigkeit entgegen vor sich hin spießten. Damals gab es ja noch sowas wie „Tanztee“ und Samstag-Abend-Shows in denen die Combos in deutschen Landen sich im Arrangement von Standard-Rhythmen ergingen, damit die damals noch steife Gesellschaft eine Begleitung zum Damenbewegen hatte.

Schallplatte auf Teller
Schallplatte German Funk Fieber

Dem US-Trend des Funk folgend, begaben sich Band-Leader wie Hugo Strasser oder Heinz Kiessling auf neues Terrain und machten kurzerhand – Big Band Funk. Das war nun wirklich eine hervorragende Idee – jetzt verband sich in Deutschland gelernte Genauigkeit mit den neuen Offbeats. Das Ergebnis war ein Funkderivat, dessen Exaktheit und „Auf-den-Punkt“-Spiel nirgends sonst zu finden war.

Zugegeben wirkt bundesdeutscher Funk immer etwas unterkühlt und nicht gerade sonderlich einfallsreich. Die Tatsache aber, dass es in unseren Landen so eine Musik gab, finde ich schon beeindruckend genug. Und so finden sich auf German Funk Fieber herrliche Stücke, die vom ersten Takt jede Party zum funken bringen (s. auch Beatschuppen) – dem Funkbeat kann man sich eben nicht so schnell entziehen. Die Compilation erinnert in ihrer Machart irgendwie der ebenfalls (Zufall?) in Hamburg zusammengestellten Dancefloor Jazz Reihe des legendären Mojo-Club. Sollte ich an ein paar Restexemplare dieser grandiosen Serie kommen, lest Ihr hier garantiert etwas darüber. 😉

Besondere Stücke herauszuheben ist fast nicht nötig. Naja – fast. Besonderen Spaß macht das Stück „Es geht“ der „Was tun Band“. Ohoh, das riecht nach Aufbruch. Und so erschien dieser Track zum ersten Mal auf der Schallplatte „Industrie Rock Zwischen Kokerei und Kanal“ im Jahre 1975 auf dem linken Label „Pläne“. Von diesem Label ist mir noch bekannt, dass Meisterkinderliedermacher Frederik Vahle mit Titeln wie „Ein Mann ist nicht was besseres, sondern ein Kollege“ die neue Welt mit dem literarischen Holzhammer umsetzte – dies nur am Rande. Die von der „Was tun Band“ immer wieder in die feinen Beats hineingerufenen Arbeiter-, Durchhalte- und Emanzipationsparolen wie  „Es geht, es geht – mit Solidarität“ oder „Alles musst Du ausprobier’n – Stärke musst Du demonstrier’n“ wirken ziemlich skuril und outdated. Aber gerade dadurch wecken sie den Charme der Deutsch-Vergangenheit und lassen ein wenig zurückblicken in die Zeit der Dia-Abende.

DER Knüller, weshalb dieser Sampler auf orangefarbenem (!) Vinyl aber definitiv ein Fall für den Warenkorb ist, ist – und schiebt mich bitte nicht in eine falsche Schublade – der Track von Howard Carpendale (sic!). Auf seiner ersten Exil-Single veröffentlichte der zugezogene Südafrikaner „Das schöne Mädchen von Seite 1“. Der Track ist Mist. Den kann man getrost unter der Kategorie „Schlagermatsch“ abheften. Die Single hatte aber noch eine zweite Seite und da muss Howie irgendwie auf Pappen gewesen sein – inklusive Band. Da hört man sphärische Gitarren- und Keyboardflächen, wunderbaren Hammondsound und einen Beat, der sich gewaschen hat. Wer hätte gedacht, dass Carpendale jemals tanzbar gewesen wäre?! „Du hast mich“ ist dermaßen untypisch, dass ich beim ersten Hören gedacht habe: „Moment, die Doors haben weder Funk gemacht, noch sind sie deutsch. Fieber – nun gut.. ;-)“. „Du hast mich“ ist der Knüller auf dieser Schallplatte.

Im Hamburger Plattenladen „Hafenschlamm“ gibt es übrigens noch Exemplare und auch eine zweite Vinyl-Scheibe mit dem sinnigen Titel „German Funk Fieber Vol.2“ ;-). Die kommt irgendwann auch noch mal in die Sammlung.

Hier sind die Titel unter dem MySpace-Account von Showup Records