Deichkind – Befehl von ganz unten als Vinyl – leider geil!

Befehl von ganz unten Deichkind

Das erste Deichkind-Album seit 2008 ist da. Nach Arbeit nervt kommt nach langen, langen vier Jahren Deichkind wieder mit einem extrem vielseitigen Gesamtwerk daher und unterstreicht damit, dass sich die Klöterklicke nach wie vor nicht mit allzu großem Ernst Musik macht. Sie machen Spaß.

Allerdings fängt der Spaß recht seriös und verwegen an – das Intro „Tetrahedon“ hört sich sehr düster an und kündet von elektronisch massiven Tracks. Nach 20 Sekunden dunklem Soundgeplätscher öffnet sich das Sägezahn-Synthie-Maul vier mal – dazwischen unverständliches Gemurmel. Als Kenner diverser Verschwörungstheorien und deren Verschlüsselungsmethoden auf Tonträgern (kurz: Rückwärts spielen ;)) muss man das Vinyl nur rückwärts laufen lassen um herauszufinden, dass uns Deichkind eine Nachricht auf Spanisch übermitteln wollen. Die geht ungefähr so:

Una pequena parte de ti
y el poco de paz
en mi va a morir
esto no es un milagro
por esto no es americano

Deichkind Befehl von ganz unten Vinyl Übersetzt heißt das soviel wie: Ein kleiner Teil von Dir und das Bisschen Frieden in mir werden sterben. Das ist kein Wunder, weil es nicht amerikanisch ist. Also mit Verlaub – ich will mir da keinen Reim drauf machen – macht Ihr das lieber 😉

Nach dem Intro geht’s los – mit 99 Bierkanistern. Das ist der Titel des ersten Tracks, der ziemlich downtempo ist und recht gewalttätig daherkommt. Sehr synthielastig kommt beschwörerisch die Aufforderung „Achtung! Alle Hände hoch!“ Dazwischen gerappte Schlagworte der Empörung „Money in the Deutsche Bank – Goa Tech und Eurodance – Wunderkind und Übermensch“.  Ja – aber spätestens hier höre ich auf, den Track weiter zu interpretieren – es macht doch einfach keinen Sinn. Dafür ist der Sound großartig 😀

Der Titeltrack „Befehl von ganz unten“ ist ein pumpendes Elektroknatterstück mit dem aufregenden Refrain „Hab ich gesagt ‚machst Du so‘ – hab ich gesagt ‚mach so‘!“ Na, wenn das mal nicht ein Befehl von gaaanz ganz unten ist.

Einen Track weiter sind wir wieder sinnvoller unterwegs und das „leider geil“. Einer der Übertracks des Albums beschreibt sich selbst – er ist wirklich leider geil. Er ist dem alten Deichkind-HipHop ähnlich und geht gut ins Ohr. Dazu lässt sich das Mantra „leider geil“ auch gut verwenden, den Alltag immer ein wenig aufzulockern: Gestern getrunken, heute verkatert, ich bleibe liegen – leider geil. Sehr empfehlenswert.

Auch „Der Mond“ ist eine Übernummer. Schon auf dem letzten Album „Arbeit nervt“ haben die Deichkinder erfolgreich Popgeschichte – naja nicht geschrieben, aber zusammengefasst. Wer die Luftbahn schon mal gehört hat, weiß, was ich meine. Einen Track zu schreiben, der ohne weiteres auch auf WDR4 laufen könnte, kriegt nicht jede Elektroclash-Combo so ohne weiteres hin. Ich kann nur hoffen, dass die Luftbahn und jetzt „Der Mond“ wirklich Persiflagen auf das Pop-Business sind – ansonsten muss ich mich schämen, die Tracks gut zu finden 😉 Auf jeden Fall findet Deichkind im besten Trance-Tech-Stil heraus, dass der Mond tot ist und dass er kalt ist obwohl er strahlt. Blöd, ne? Egal, ne? Aber: leider geil.

Danach „Illegale Fans“. Der Track, bei dem man gerne eine Revolution ankündigen wollen würde, ist schon etwas länger erhältlich und jetzt auf dem „Befehl von ganz unten“ offiziell auf einem Album vertreten. Der Track ist einer der wenigen, bei dem sich direkt beim ersten Hören Sinn ergibt: Deichkind unterstützen Raubkopien. Sie schicken Lars Ulrich, den Drummer von Metallica und Verfechter des Copyrights, zum kacken und feiern sich als „illegale, radikale, digitale Fans“. Finde ich sehr unterstützungswürdig.

Deichkind Befehl von ganz unten VinylJetzt mache ich mal einen Sprung über „Partnerlook“, „Bück Dich hoch“ (Hammer!),“Pferd aus Glas“ und „Der Strahl“ hinweg. Denn jetzt kommt der Cut im Album. „Die Rote Kiste“ ist ein nonsense-Song im astreinen Punk-Stil. Kein Wunder – der Track wurde mit Slime zusammen gemacht und eingespielt. Großartig und nicht vorherzusehen stürmen auf einmal dreiakkordige Gitarren-Schwalle durch die Boxen. Guter Track – und ganz im Punk-Stil – auch nicht viel länger als 2 Minuten.

Der obligatorische Featuring-Track mit Tobi und das Bo ist drauf. Mehr nicht.

Das Finale wird durch einen letzten Ohrwurm begangen – „Herz aus Hack“ ist die herzzerreißende Liebesgeschichte zwischen einem Herren und einer Fleichwarenfachverkäuferin, die er mit einem Herz aus Hack in der Disko betört – mit Pfeffer, Salz und Zwiebeln. Seid vorsichtig! „Ein Herz aus Hack“ geht wirklich nicht mehr aus den Ohren. Und bitte: Stellt Euch den letzten Satz nicht bildlich vor….

Das Vinyl

Hier noch eine Notiz zum Vinyl an sich. Die Pressung ist herausragend. Eine plane Fläche mit ausgewogenem Klangbild. Das Album kommt als Doppelvinyl mit Download-Code. Nicht audiophil – dazu ist die Produktion auch zu oberflächlich – aber sauber. Das Vinyl kostet gerade 17,99€ bei Amazon(***Update 27.02.2012 19,99€)***. Schade finde ich, dass das Booklet nur das Kleine der CD ist und nicht als Großformat vorliegt.

Fazit:

…leider geil.

Euer Schallplattenchecker

 

Deichkind – Befehl von ganz unten Vinyl

Das erste Album von Deichkind seit vier Jahren ist Mindblowing. Ein Partyalbum, wie es nur die Klöterklikke machen kann. Sehr empfehlenswert!

Deichkind übertrifft sich selbst mit einer Sammlung von Party- Revoluzzerhits und Ohrwürmern. Für Liebhaber elektronsicher Musik mit HipHop-Elementen ist das hier ein Top-Album. Zum Doppelvinyl gibt es auch einen Download-Code dazu.

Rating by Marcel: 5.0 stars
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